Samstag, 20. Juni 2015

Schlaf gut, Onkel M.

Ich erinnere mich...

... wie er früher -  als wir noch klein waren - immer erstmal in B.s Zimmer ging und sich dort eine Pistole mit Platzpatronen oder ähnliches zum Spielen holte

... wie er mich jahrelang aufzog, indem er immer wieder fragte, ob ich denn nun schon auf's Gymnasium gehe

... wie er nach der Trennung ein Jahr lang quasi bei uns wohnte

... dass er immer fürchterlich geschmatzt hat

... wie er sich bei unserer Einweihungsfeier in der Häuserreihe irrte, sich von hinten durch die noch unbezaunten, matschigen Nachnarsgrundstücke schlug und überraschend an der Terrassentür anklopfte

... an seinen großen Modellkran

... wie mutig er sich als erster und einziger in der Familie selbständig machte und sich in Papier- und Computerkram reinfuchste

... wie wirtschaftliche Probleme ihn als ersten und einzigen in der Familie bis zu Hartz IV und einem Minijob in M.s Laden führten

... wie schön die Liebe manchmal unerwartete Wege geht, was ihn zum Opa seiner Großnichten machte

... und wie er bei Olo's 65. Geburtstag sagte, dass er auch mal wieder arbeiten gehen möchte, als ich ihm von meinem baldigen Elternzeitende erzählte

... wie klein und dünn mein dicker Onkel bei dieser Party in seinem Rollstuhl aussah, und wie wunderbar, dass er da noch dabei war und niemand wusste, dass es ihn bald nicht mehr geben würde

... wie ich mal einen Anpfiff bekam, weil ich versucht hatte, in N.s Zimmer das Rollo herunterzuziehen...und es dabei vom Fenster riss

... wie er nur aus Liedern u.ä. erstaunlich viele englische Brocken sprechen konnte

... wie von seinen Auto-Suchaktionen berichtete, weil ihm entfallen war, in welcher Straße er sein Auto geparkt hatte, nachdem er tagelang nur mit dem Dienstwagen unterwegs gewesen war

... an seine Bücher, oft Non-Fiction über die Weltkriege

... an den roten Flitzer, den er sich in seiner Single-Zeit gönnte und in dem mir leider immer schlecht würde, weil er so stoßweise Gas gab

... ein Foto von mir als Baby, auf dem man kaum erkennt, ob er oder mein Vati da bei mir ist

... wie er mir bei meinem letzten Besuch im Krankenhaus sagte, dass er solche Angst habe und dass er uns lieb habe -  was früher gar nicht seine Art war

... wie da immer drei Brüder waren

... am meisten aber daran wie er auf einem Stuhl sitzt, den Arm auf der Lehne des Nachbarstuhls ausgestreckt irgendwann immer einschläft. Das familiare In-unpassenden-Momenten-Einschlaf-Gen war bei ihm sehr ausgeprägt.

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